Angesichts des Ausmaßes von Gewalt gegen Frauen in Deutschland bekräftigt der WEISSE RING zum heutigen „Orange Day“ seine Forderung zur schnellstmöglichen Einführung elektronischer Fußfesseln nach spanischem Vorbild bei häuslicher Gewalt. Die Erfolgsquote bei den geschützten Frauen liege bei 100 Prozent, berichtet Deutschlands größte Opferhilfsorganisation in der kommenden Ausgabe ihres Magazins „Forum Opferhilfe“.
Seit der Einführung der Fußfessel habe sich „in der Tat kein Frauenmord an Nutzerinnen dieses Geräts ereignet“, bestätigt Teresa Peramato, Staatsanwältin bei der Sonderstaatsanwaltschaft gegen Gewalt an Frauen in Madrid der Redaktion des WEISSEN RINGS. Der Staatsanwaltschaft sei auch kein Fall bekannt, „in dem eine Benutzerin des Systems in irgendeiner Weise körperlich angegriffen worden wäre“, berichtet Peramato. Die Technologie stärke zudem das Sicherheitsgefühl der Frauen. Insgesamt konnte in Spanien die Zahl der getöteten Frauen seit der Einführung der elektronischen Fußfessel im Jahr 2009 um rund ein Viertel gesenkt werden. Beim spanischen Modell trägt nicht nur der potenzielle Täter eine Fußfessel, auch das Opfer ist mit einem elektronischen Empfänger ausgestattet. Das ermöglicht einen Schutz auch außerhalb definierter Bereiche wie Arbeitsstätte der Frau oder Kita des Kindes.
Das Interview mit der spanischen Staatsanwältin ist auf der Seite von „Forum Opferhilfe“ veröffentlicht:
https://forum-opferhilfe.de/femizide-spanisches-modell-staatsanwaltin-peramato/
Erst vor wenigen Tagen hatten Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen) gemeinsam mit dem Bundeskriminalamt ein Lagebild zu Straftaten gegen Frauen vorgestellt. Die traurige Bilanz für das Jahr 2023: Alle drei Minuten erlebt eine Frau oder ein Mädchen in Deutschland häusliche Gewalt. 360 Frauen und Mädchen wurden getötet – es gab also fast an jedem Tag ein weibliches Todesopfer. 155 dieser Frauen wurden durch ihre Partner oder Ex-Partner getötet – 22 Frauen mehr als im Jahr zuvor. Besonders traurig: Viele dieser Frauen haben sich zuvor schutzsuchend an den Staat gewandt und Kontakt- und Näherungsverbote erwirkt. Wie viele genau, wird statistisch nicht erfasst. Eine aufwändige Datenrecherche der Redaktion des WEISSEN RINGS hat jedoch gezeigt, dass in mehr als 100 im Jahr 2023 veröffentlichten Presseberichten über Femizid-Fälle bestehende Kontakt- und Näherungsverbote erwähnt wurden.
Harvard-Expertin bestätigt Wirksamkeit der Fußfessel
Einen weiteren Vorteil der elektronischen Fußfessel benennt Diane Rosenfeld. Sie lehrt an der Harvard School of Law und ist eine der führenden amerikanischen Expertinnen für die GPS-Überwachung von Tätern häuslicher Gewalt. „Schutzanordnungen allein bieten nur begrenzten und unzuverlässigen Schutz vor weiterem Missbrauch des Opfers durch den Täter“, schilderte Rosenfeld der Redaktion des WEISSEN RINGS. „Die GPS-Überwachung von Tätern setzt die Bedingungen einer Schutzanordnung durch und ermöglicht es den Strafverfolgungsbehörden, gefährliche Täter zur Rechenschaft zu ziehen.“ In den Vereinigten Staaten wird die GPS-Überwachung in mehr als der Hälfte der Bundesstaaten eingesetzt, um Frauen vor ihren gewalttätigen Partnern oder Ex-Partnern zu schützen. Die Harvard-Juristin setzt sich darüber hinaus dafür ein, dass in allen Fällen häuslicher Gewalt eine Gefährdungsbeurteilung durchgeführt wird, damit Fälle, die auf eine potenzielle Tötungsabsicht hindeuten, mit der gebotenen Ernsthaftigkeit behandelt werden können. Die Drohung, den Partner zu töten und eine kürzlich erfolgte Trennung seien Alarmsignale. Rosenfeld sagt: „Morde im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt sind so vorhersehbar, dass sie vermeidbar sind.“
Auch die Bundespolitik erkennt zunehmend, dass es dringenden Handlungsbedarf gibt: So betonte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bei der Vorstellung des Lagebildes zu Gewalt gegen Frauen und Mädchen: „Neben harten Strafen brauchen wir verpflichtende Anti-Gewalt-Trainings und elektronische Fußfesseln, damit die Täter ihr Verhalten tatsächlich ändern und sich betroffenen Frauen nicht mehr unbemerkt nähern können.“ Auch der CDU-Vorsitzende und Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz sprach sich in einer Videobotschaft zum „Orange Day“ auf dem sozialen Netzwerk „LinkedIn“ für den Einsatz der elektronischen Fußfessel aus. „Mit dieser Technologie können wir sicherstellen, dass gewalttätige Männer sich den Opfern nicht mehr nähern können“, sagte Merz. „Das funktioniert in Spanien. Das brauchen wir in Deutschland jetzt auch – zum Schutz von Mädchen und Frauen vor Gewalt.“
Das Team Medien & Recherche des WEISSEN RINGS recherchiert seit mehreren Jahren zum Thema elektronische Fußfessel, Mitarbeitende der Opferschutzorganisation machen sich bundesweit für den Einsatz der Technologie stark. In zwei Brandbriefen an die Politik hatte der WEISSE RING schon in den Jahren 2022 und 2023 „in höchster Dringlichkeit“ gefordert, Frauen besser zu schützen. Eine Antwort aus der Politik blieb jedoch aus. Besonders der inzwischen entlassene Bundesjustizminister Marco Buschmann und seine Partei, die FDP, hatten sich gegen eine bundeseinheitliche Verankerung der Fußfessel in Fällen häuslicher Gewalt im Gewaltschutzgesetz gesperrt.
Die neue Recherche zum Thema Fußfessel gibt es hier:
https://forum-opferhilfe.de/fesseln-fuer-mehr-freiheit/
Das Magazin, das sich mit dem Thema ausführlich beschäftigt, kann mit folgendem Link heruntergeladen werden:
https://weisser-ring.de/system/files/domains/weisser_ring_dev/downloads/werforumopferhilfe042023magazin144dpi.pdf
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Der WEISSE RING wurde 1976 in Mainz gegründet als „Gemeinnütziger Verein zur Unterstützung von Kriminalitätsopfern und zur Verhütung von Straftaten e. V.“. Er ist Deutschlands größte Hilfsorganisation für Opfer von Kriminalität. Der Verein unterhält ein Netz von rund 3.000 ehrenamtlichen, professionell ausgebildeten Opferhelferinnen und -helfern in bundesweit 400 Außenstellen, beim Opfer-Telefon und in der Onlineberatung. Der WEISSE RING hat mehr als 100.000 Förderer und ist in 18 Landesverbände gegliedert. Er ist ein sachkundiger und anerkannter Ansprechpartner für Politik, Justiz, Verwaltung, Wissenschaft und Medien in allen Fragen der Opferhilfe. Der Verein finanziert seine Tätigkeit ausschließlich aus Mitgliedsbeiträgen, Spenden und testamentarischen Zuwendungen sowie von Gerichten und Staatsanwaltschaften verhängten Geldbußen. Der WEISSE RING erhält keinerlei staatliche Mittel.
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