Aktuell versucht die Bundesregierung im Einklang mit fast allen Oppositionsparteien im Bundestag das Asylrecht auszuhebeln. Es braucht ein Bekenntnis zur Migrationsgesellschaft und eine Politik der Solidarität, fordert die Frankfurter Hilfs- und Menschenrechtsorganisation medico international.
„Der aktuelle Abwärtstrend im Asyl- und Migrationsrecht ist eine Politik gegen unsere Gesellschaft“, urteilt Valeria Hänsel, Referentin für Flucht & Migration bei medico international. Die jüngsten rechtswidrigen Forderungen – z.B. die Abweisung von Asylantragssteller:innen an den Außengrenzen; die Einführung einer Bezahlkarte für Geflüchtete; das Aussetzen internationaler Menschenrechtsverträge – gründen in dem Glauben, dass sich Sicherheit durch eine Politik des Rassismus erzielen lassen würde. „Über 20 Millionen Menschen haben in Deutschland eine Migrationsgeschichte“, bemerkt dazu Hänsel: „Unsere gesellschaftliche Reichhaltigkeit, die das Leben erst lebenswert macht, ist auch den unzähligen Grenzübertritten zu verdanken.“
Groß angelegte Angriffe gegen Personengruppen werden für gewöhnlich zuerst am schwächsten Glied in der Kette erprobt. „In diesem Fall blicken wir auf eine jahrelange Politik der Entrechtung gegenüber Menschen zurück, die sich gezwungen sahen, ihr Heimatland zu verlassen und ihren Weg nach Europa anzutreten“, führt sie weiter aus und verweist auf die hohen Inhaftierungszahlen unter den Geflüchteten, wenn sie erstmals europäisches Festland betreten.
Der Fonds für Bewegungsfreiheit
„Immer wieder werden Geflüchtete als Schleuser gebrandmarkt. Sie werden in juristischen Schnellverfahren zu überdimensionalen Haftstrafen verdonnert, ohne dabei auf einen adäquaten Rechtsbeistand hoffen zu können“, beobachtet die Migrationsexpertin. Aus diesem Grund ruft medico international Anfang September 2024 den Fonds für Bewegungsfreiheit ins Leben. Mit den darüber gesammelten Spenden werden Menschen unterstützt, die an den Rändern Europas unrechtmäßig in Gefängnissen sitzen. Aus dem Fonds werden Prozess- und Anwaltskosten finanziert ebenso wie Unterstützung im Alltag der Inhaftierten bereitgestellt. Dazu Hänsel: „Mit dem Fonds für Bewegungsfreiheit zeigen wir auf, dass Migration kein Verbrechen ist.“
In Griechenland sitzen über 2000 Geflüchtete wegen des Vorwurfs des Schleuserei im Gefängnis. Die Prozesse dauern im Schnitt 37 Minuten und das Urteil lautet durchschnittlich auf 46 Jahre Haft. In Italien geht man davon aus, dass seit 2013 ca. 3200 Menschen aufgrund dieses Vorwurfs festgenommen wurden. In Spanien sind zwischen 2022 und 2023 aufgrund ähnlicher Vorwürfe 500 Menschen kriminalisiert worden. Die Dunkelziffer dürfte in allen Ländern weitaus höher sein.
„Mit dem Fonds werden wir dieser Ungerechtigkeit entgegentreten. Diese praktische Solidarität von unten gilt es auszubauen und zu stärken“, kommentiert Migrationsreferentin Hänsel und verweist auf den Bumerangeffekt, den die rechtsgerichtete Politik an den Außengrenzen nach Innen haben wird. „Die Spirale der Entrechtung und Verachtung wird vor den Menschen innerhalb Deutschlands nicht aufhören. Wer für seine eigene schlechte Bildungs-, Sozial- und Wohnungspolitik Sündenböcke finden will, muss immer wieder aufs Neue Schuldige produzieren. Doch die gesellschaftlichen Probleme werden bleiben“, so Hänsel abschließend.
Weitere Informationen rund um den Fonds für Bewegungsfreiheit finden Sie auf https://www.medico.de/bewegungsfreiheit
Für Rückfragen & Interviewwünsche:
Valeria Hänsel, Referentin für Flucht & Migration, +49 175 94 19 016, haensel@medico.de
Timo Dorsch, Pressereferent, +49 160 40 66 331, dorsch@medico.de