In der Bitcoin-Community tobt aktuell eine hitzige Debatte um einen technischen, aber möglicherweise folgenreichen Vorschlag: Der Bitcoin Core-Entwickler Peter Todd möchte die bestehenden Limits für sogenannte OP_RETURN-Outputs abschaffen. Dies würde es erlauben, mehr und größere Daten direkt in Bitcoin-Transaktionen zu schreiben. Während einige diesen Schritt als notwendigen Fortschritt sehen, warnen andere vor Datenmüll und einem Bruch mit Bitcoins monetärer Philosophie.
Eine alte Debatte?!
Todds Vorschlag erhitzt die Gemüter in der Community, dabei ist die Diskussion um die Nutzung der Bitcoin-Blockchain zur Speicherung nicht-finanzieller Daten keineswegs neu: Bereits in den vergangenen Jahren kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen rund um NFTs oder das Ordinals-Protokoll. Kritiker warnen seitdem vor einer Zweckentfremdung der Blockchain, während Befürworter Innovation und neue Anwendungsfälle herbeisehnen. Blocktrainer berichtete dazu mehrfach.
Was ist OP_RETURN?
OP_RETURN ist ein Bitcoin-Befehl, der es erlaubt, Metadaten an eine Transaktion anzuhängen – etwa Hashes, Verweise oder Nachrichten. Seit 2014 ist dessen Nutzung allerdings auf einen OP_RETURN-Output pro Transaktion und eine maximale Größe von 80 Bytes beschränkt. Diese Einschränkung ist kein Teil des Konsensprotokolls, also des „Herzstücks von Bitcoin”, sondern basiert auf sogenannten Policy-Regeln, die auf Node-Ebene durch Bitcoin Core definiert sind.
Der Vorschlag: Entfernen der Policy-Limits
Peter Todd ist ein langjähriger Bitcoin-Entwickler, der erst kürzlich im Fokus einer HBO-Dokumentation stand, in der in den Raum gestellt wurde, dass es sich bei ihm um den Bitcoin-Erfinder Satoshi Nakamoto handeln würde.
Todd schlägt vor, die aktuellen Beschränkungen für die Nutzung des OP_RETURN-Felds aufzuheben. Aktuell dürfen in Bitcoin-Transaktionen nur sehr kleine Datenmengen in einem einzelnen OP_RETURN-Feld gespeichert werden – das ist eine bewusste Einschränkung durch die Bitcoin-Software, aber keine technische Notwendigkeit des Protokolls.
Diese Begrenzungen sehen die Befürworter des Vorschlags als „willkürlich“ an, da sie eben nicht durch Sicherheitsbedenken oder Skalierungsgrenzen des Netzwerks begründet seien.
Mit der Änderung könnten Entwickler mehr und flexibler strukturierte Informationen direkt auf der Bitcoin-Blockchain speichern – und so mehr Spielraum für Rollups oder Layer-1-Protokolle wie „Citrea“ oder „Runes“ geben.
Außerdem würden technisch komplexere Umwege über Taproot und SegWit wegfallen, die derzeit nötig sind, um Metadaten einzubetten.
Braucht Bitcoin das? Die Gegenargumente:
Eine der zentralen Fragen, die sich viele Bitcoiner derzeit stellen, lautet: „Braucht Bitcoin das wirklich?“ Kritiker des Vorschlags zur Lockerung der OP_RETURN-Limits argumentieren, dass Bitcoin in erster Linie als monetäres Netzwerk konzipiert wurde – als digitales, zensurresistentes Geld.
Jede Erweiterung um nicht-finanzielle Funktionen birgt ihrer Ansicht nach die Gefahr, den Fokus und die Robustheit des Netzwerks zu untergraben. Statt eine zusätzliche Datenspeicherung auf dem Layer 1 zu ermöglichen, sollte man aus Sicht vieler Skeptiker besser bestehende Layer-2-Lösungen oder Off-Chain-Ansätze nutzen und weiterentwickeln.
Einige der konkretesten Gegenargumente wurden direkt im GitHub-Thread zum Pull Request (#32359) geäußert. Dort wiesen mehrere Entwickler darauf hin, dass das bestehende Limit ursprünglich eingeführt wurde, um genau die Arten von Missbrauch zu verhindern, die nun drohen: etwa großflächige Speicherung von Daten mit geringem oder keinem Nutzen für das Netzwerk.
Ein Entwickler schrieb sinngemäß, dass die Entfernung dieser Policy-Regel Bitcoin zu einem „Datenmüllplatz“ machen könnte, da jeder künftig für geringe Kosten Inhalte dauerhaft in der Blockchain verankern könne.
Bitcoin als grenzenloser Speicher?
Ein weiterer Einwand betrifft die langfristige Wartbarkeit und Nachhaltigkeit der Blockchain: Wenn beliebige Daten auf Dauer in die Chain geschrieben werden können, wächst deren Größe kontinuierlich – unabhängig vom Nutzen dieser Daten. Dennoch bleibt weiterhin das Blockgrößenlimit von derzeit etwa 4 MB pro Block bestehen, das eine willkürliche Aufblähung technisch einschränkt.
Zudem existiert in der Praxis auch eine ökonomische Begrenzung, da größere Transaktionen mit mehr Daten höhere Gebühren verursachen. Ein interessanter Punkt wurde dazu vom Bitcoin-Entwickler @lightcoin auf der Plattform 𝕏 gemacht: Die Entfernung der OP_RETURN-Limits würde faktisch nur die Möglichkeit schaffen, Daten mit einer Größe zwischen etwa 80 und 143 Bytes effizient über OP_RETURN einzubinden – alles darüber hinaus wäre ohnehin gebührenintensiv und damit ökonomisch unattraktiv. Für diese Datenmengen wäre OP_RETURN günstiger als alternative Methoden. Damit ist der vermeintlich große Spielraum für Spam-Anwendungen realistisch betrachtet ziemlich begrenzt.
Dennoch könnte die konstante und gezielte Ausnutzung des zulässigen Speicherplatzes durch Dateninhalte, die keinen monetären Mehrwert bringen, zu einem schleichenden Problem werden. Das verteuert das Betreiben eines Full Nodes, was wiederum die Dezentralisierung gefährden könnte. Das Risiko hierfür ist in Anbetracht des technischen Fortschritts und der steigenden Kosteneffizienz von Hardware aber eher gering, sagen die Befürworter des Vorschlags.
Der Anfang vom Ende für Bitcoin?
Diese Fragen führen zu einem fundamentalen Spannungsfeld: Ist Bitcoin eine globale Settlement-Infrastruktur für mehr als nur Geld? Oder muss es seine Einfachheit und Klarheit als monetäres Asset bewahren, um langfristig Vertrauen und Stabilität zu sichern? Einige besonders skeptische Stimmen gehen sogar noch weiter: Sie befürchten, dass eine Aufweichung der Policy-Regeln in Richtung freier Datenspeicherung den Anfang vom Ende für Bitcoin bedeuten könnte. Sollte die Blockchain zunehmend mit nicht-monetären Informationen gefüllt werden, könne dies – so der Vorwurf – das Vertrauen in Bitcoin als „hartes Geld“ untergraben und das Projekt langfristig in die Bedeutungslosigkeit führen.
Die einzige Hoffnung, die bleibt: Es wird in letzter Sekunde tatsächlich nicht eingebaut; oder die Leute lehnen Bitcoin Core sofort ab und wechseln zu etwas wie Bitcoin Knots oder zu irgendeinem Code, der diesen offensichtlichen Wahnsinn ablehnt, sobald er integriert ist. Ansonsten ist Bitcoin tot. Das ist keine Übertreibung.
Jason Hughes, Bitcoin-Entwickler
Solche Befürchtungen mögen aus Sicht vieler Beobachter überzogen erscheinen, zumal die grundlegenden Protokollgrenzen wie das Blockgrößenlimit weiterhin gelten, doch sie verdeutlichen, wie emotional aufgeladen und ideologisch geprägt diese Diskussion mittlerweile ist.
Wie kann man ernsthaft argumentieren, dass die Beseitigung einer nicht konsensbasierten Grenze (die bereits mit Libre Relay und Slipstream umgangen wird) für die ökonomische Einbettung von 63 zusätzlichen Bytes an Daten „Bitcoin zu einem wertlosen Altcoin macht“? Scheint mir sehr übertrieben zu sein.
@lightcoin, Bitcoin-Entwickler
Ein Richtungsstreit um Bitcoins Zukunft
Die Debatte über die Lockerung der OP_RETURN-Limits verdeutlicht, wie tief die Gräben innerhalb der Bitcoin-Community teilweise verlaufen. Während die einen Bitcoin als rein monetäre Basis verstehen wollen, sehen andere darin eine technologische Plattform, auf der auch nicht-finanzielle Innovationen Platz haben sollen – zumindest solange diese keine fundamentalen Risiken mit sich bringen.
Was diese Diskussion jedoch besonders brisant macht, ist nicht nur der technische Inhalt, sondern der Umgang damit: Zahlreiche Community-Mitglieder äußerten insbesondere bei 𝕏 Kritik daran, dass auf GitHub Kommentare gelöscht beziehungsweise versteckt und Diskussionen eingeschränkt wurden.
Jason Hughes machte etwa darauf aufmerksam, dass das Core-Team einen zweiten Pull Request ohne Kommentarfunktion eröffnet hat, um kritischen Stimmen aus dem Weg zu gehen.
Nun, anscheinend konnten sie den Druck der Community nicht ertragen und haben einen neuen Pull Request gestartet, der im Grunde das Gleiche tut wie der ursprünglich verlinkte.
Nur dass sie dieses Mal keine Kommentare zulassen und sogar die Beiträge der direkten Beteiligten moderieren. 🤦♂️
Wenn eure Änderungen eine Debatte nicht überleben können, solltet ihr sie vielleicht nicht machen?
Jason Hughes, Bitcoin-Entwickler
Well, seems they couldn’t take the community heat and started a new PR that effectively does the same thing as the originally linked one.
Except this time they’re not allowing any comments, and even moderating direct contributors. 🤦♂️
If your changes can survive debate, maybe… pic.twitter.com/G7CO9N6FLf
— Jason Hughes (@wk057) April 30, 2025
Solche Vorgänge verstärken natürlich den Eindruck, dass der offene, dezentrale Diskurs – ein Grundpfeiler von Bitcoin – in der praktischen Entwicklung manchmal zu kurz kommt. Dabei wäre genau dieser offene Diskurs nötig, um die langfristige Richtung von Bitcoin gemeinsam auszuhandeln.
Ob OP_RETURN künftig freier nutzbar ist oder nicht, ist letztlich auch eine symbolische Entscheidung: Soll Bitcoin sich weiterentwickeln und neue Use-Cases erschließen – oder das bleiben, was es seit jeher war?
Die Antwort darauf wird nicht nur den technischen Pfad, sondern auch das Vertrauen in die Governance des Bitcoin-Projekts prägen. Und jeder Full Node-Betreiber muss für sich entscheiden, welchen Weg er beschreiten will.