Das kleine Königreich Bhutan baut bereits seit dem Jahr 2019 über den staatlichen Fonds Druk Holding and Investments Ltd. (DHI) eine Bitcoin-Reserve auf. Dabei nutzt die Nation die reichlich vorhandene Wasserkraft, um eigene „umweltfreundliche“ Bitcoin-Mining-Anlagen zu betreiben.
Nun möchte der bhutanische Staatsfonds diese „grünen Coins“ an Unternehmen verkaufen, die ihre ESG-Ziele (Umwelt, Soziales, Unternehmensführung) erreichen wollen.
Bhutans Bitcoin-Reserve
Bhutan betreibt seit dem Jahr 2019 staatliches Bitcoin-Mining und hat insbesondere seit der Corona-Pandemie die Mining-Kapazitäten kontinuierlich ausgebaut. So konnte das Königreich eine Bitcoin-Reserve von zeitweise über 13.000 BTC aufbauen.
Gelegentlich verkauft der staatliche Fonds einen Teil dieser Bitcoin, um mit den Erlösen Staatsausgaben zu finanzieren und die Wirtschaft zu stabilisieren. So konnten zum Beispiel die für den Warenimport essenziellen Auslandsreserven aufgefüllt sowie die Gehälter der Regierung für zwei Jahre gezahlt werden – Maßnahmen, die wichtige Arbeitsplätze sicherten und die Abwanderung von Fachkräften in andere Länder verhinderten.
In den vergangenen Wochen hat Bhutan mehrere Tausend Bitcoin verkauft, wodurch sich der Bestand auf circa 7.700 BTC im Wert von etwa 650 Millionen US-Dollar reduziert hat.
Bitcoin-Bestand von Bhutan; Quelle: Arkham
Bhutans Krypto-Portfolio; Quelle: Arkham
Grüne Kryptowährungen für ESG-Ziele
Die bhutanische Regierung verfolgt verschiedene Strategien, um die wirtschaftliche Entwicklung zu fördern und die Emigration zu stoppen. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der Blockchain-Technologie, wie beim Stadtentwicklungsprojekt Gelephu Mindfulness City (GMC).
Zudem möchte Bhutan seine Wasserkraftkapazitäten massiv ausbauen – von derzeit 3,5 auf 33 Gigawatt (GW), davon 15 GW in den nächsten 10 bis 15 Jahren. Laut Ujjwal Deep Dahal, CEO des DHI-Fonds, verfolgt Bhutan damit unter anderem das Ziel, sich als globales Zentrum für „grüne Kryptowährungen“ zu etablieren und einen Markt dafür zu schaffen.
Dahal klassifiziert die mit Wasserkraft geschürften Bitcoin aus Bhutan als „umweltfreundlich“. Sie würden solche Coins ausgleichen, die mit fossilen Energiequellen geschürft wurden, und somit eine grüne Wirtschaft fördern, so der CEO von DHI.
Wir sind ein Land, das zu 100 % mit Wasserkraft betrieben wird, und jeder digitale Coin, den wir in Bhutan mit Wasserkraft schürfen, gleicht den Coin aus, der mit fossilen Brennstoffen geschürft wird. Ein Coin, der in Bhutan geschürft wird, trägt also zur grünen Wirtschaft bei.
Ujjwal Dahal, CEO von Druk Holding and Investment, in Interview
Während die bhutanische Bitcoin-Reserve bisher vorrangig zur Finanzierung wichtiger Staatsausgaben genutzt wurde, soll künftig auch der Verkauf der Bitcoin an Unternehmen, die ihre ESG-Ziele erreichen wollen, eine bedeutendere Rolle spielen.
Fungibilität von Bitcoin
Ujjwal Dahal verknüpft die Bitcoin-Einheiten aus den Coinbase-Transaktionen der Wallets des Königreichs mit einem „grünen“ beziehungsweise „bhutanischen“ Label. Er geht davon aus, dass diesen Coins von Nutzern ein besonderer Wert beigemessen wird – etwa als eine Art CO₂-Gutschrift.
Für Bhutan ist das eine Gelegenheit, seine nachhaltige Strategie weiter zu monetarisieren und gleichzeitig die Bitcoin-Adoption zu fördern. Technisch betrachtet ist diese Klassifizierung jedoch problematisch und wirft Fragen zur Fungibilität von Bitcoin auf.
Das Bitcoin-Netzwerk kennt keine Landesgrenzen, ist für alle zugänglich und behandelt sämtliche Satoshis – die kleinste Einheit von Bitcoin – auf der Protokollebene gleich. Bitcoin ist neutral, zensurresistent, dezentral und fungibel. Das heißt, jede Einheit ist gleich viel wert, was eine fundamental wichtige monetäre Eigenschaft darstellt.
Innerhalb des Netzwerks bleibt ein Bitcoin ein Bitcoin. Es gibt jedoch einzelne Kontexte, in denen bestimmte Einheiten als „besonders“ gelten.
Seltene Satoshis
Für einige Bitcoin-Enthusiasten gelten bestimmte Satoshis als Sammelobjekte, die zum Beispiel mittels Ordinals-Protokoll ermittelt werden. Dazu zählen verschiedene seltene und exotische Satoshis, die sich hauptsächlich durch die Bitcoin-Software selbst ergeben.
Beispiele sind der erste oder letzte Satoshi eines speziellen Blocks – etwa nach einer Schwierigkeitsanpassung, einem Halving, beim Zusammenfall der beiden Ereignisse oder vom Genesis-Block, dem ersten Block des Bitcoin-Netzwerks. Diese Satoshis werden mitunter zu astronomischen Preisen gehandelt, ähnlich wie Fehldrucke bei Briefmarken oder Münzen bestimmter Jahrgänge.
Angesichts der Tatsache, dass es über zwei Billiarden Satoshis gibt, ist der Einfluss, den diese einzelnen Satoshis auf die Fungibilität von Bitcoin haben, jedoch zu vernachlässigen.
Kriminelle Coins
Durch die transparente Natur der Bitcoin-Blockchain können Behörden oder Institutionen wie die Financial Action Task Force (FATF) bestimmte Bitcoin-Einheiten mit kriminellen Aktivitäten verknüpfen und entsprechend markieren.
In manchen Jurisdiktionen könnten gesetzliche Regelungen Börsen und Händler dazu zwingen, markierte Einheiten abzulehnen oder einzufrieren. Solche Maßnahmen könnten die Fungibilität lokal beeinträchtigen. Global betrachtet bleibt sie durch die Zensurresistenz des Bitcoin-Protokolls jedoch weitgehend erhalten.
Im Extremfall könnten Software-Weiterentwicklungen zur Verbesserung der Privatsphäre die Fungibilität langfristig sogar stärken, sodass der Nutzen als Geld durch „kriminelle Coins“ nicht beeinträchtigt wird.
Nationale & grüne Kennzeichnung
Wenn Staaten wie Bhutan oder Unternehmen wie MARA Holdings sich Bitcoin zu eigen machen und mit bestimmten Labels versehen („umweltfreundlich“ beziehungsweise „Made in America“), ändert das technisch betrachtet nichts an deren Fungibilität.
Bhutans „grüne“ Bitcoin könnten zwar als symbolisches ESG-Produkt vermarktet werden, doch dieses Label ließe sich theoretisch auf alle mit erneuerbarer Energie geschürften Coins anwenden – was fossile erzeugte Einheiten in der Wahrnehmung abwerten würde.
Trotzdem ist nicht davon auszugehen, dass in dieser Art gekennzeichneten Coins dauerhaft einen höheren oder niedrigeren Marktwert haben werden. Solange ökonomische Anreize dominieren, bleibt ein Bitcoin ein Bitcoin. Außerdem ist es unter Umständen schwierig nachzuweisen, ob ein Coin wirklich „umweltfreundlich“ geschürft wurde.
Dennoch ist es nicht gänzlich auszuschließen, dass „grüne“ oder „US-amerikanische“ Bitcoin an Bedeutung gewinnen und in verschiedenen Rechtssystemen beziehungsweise Kontexten unterschiedlich behandelt werden.
Förderlich für Bitcoin ist es unter dem Strich nicht, wenn Patriotismus oder ESG-Kriterien über die neutrale, offene Natur von Bitcoin gestellt werden. Das alles steht und fällt am Ende aber damit, ob die Nutzer bestimmten Coins mehr Wert beimessen oder eben nicht.
ESG-Aspekte von Bitcoin
Die positiven Auswirkungen des Bitcoin-Netzwerks auf Umwelt und Gesellschaft machen ein spezielles „grünes Label“ für einzelne Coins eigentlich überflüssig.
Während Bhutan sich ein solches Label zu eigen machen und damit seinen Coins einen zusätzlichen Wert geben will, betrachten immer mehr Unternehmen und Investoren das Bitcoin-Netzwerk insgesamt bereits als attraktive ESG-Investition. Es gibt zahlreiche Beispiele für die sozialen und ökologischen Aspekte von Bitcoin.
Bitcoin-Mining kann:
- den Ausbau erneuerbarer Energien fördern,
- Emissionen und Energieverschwendung reduzieren,
- CO₂-Zertifikate ermöglichen und
- soziale Wirkung in strukturschwachen Regionen entfalten.
Aktivisten wie Daniel Batten oder Alex Gladstein leisten hierzu wichtige Aufklärungsarbeit.
Skeptiker haben in den vergangenen Monaten zunehmend ihre ungerechtfertigte Kritik gegenüber Bitcoin abgelegt. Bitcoin ist für viele eine vertretbare Anlageklasse – auch für große Pensions- und ESG-Fonds. Dabei spielt es quasi keine Rolle, wo oder wie genau ein Coin geschürft wurde.
Zweifellos trägt Bhutan mit seiner Wasserkraft zum nachhaltigen Bitcoin-Mining bei. Ob das jedoch ein eigenes Label rechtfertigt, bleibt fraglich. Auch andere Länder setzen bereits zunehmend auf CO₂-neutrale Energiequellen, wodurch der nachhaltige Anteil im Energiemix des Bitcoin-Netzwerks mittlerweile über 56 Prozent liegt – Tendenz steigend.
Die Bitcoin-Mining-Industrie zählt zu den nachhaltigsten Branchen überhaupt. Bhutans Versuch, „grüne Bitcoin“ gesondert zu vermarkten, ist strategisch klug und kommunikativ stark. Technisch und ökonomisch bleibt Bitcoin jedoch einheitlich und neutral – und genau das ist die Stärke von Bitcoin.