Berlin (ots)
Ziele: Vertiefung des Binnenmarkts und Abbau von Barrieren
Der TÜV-Verband begrüßt die neue Strategie der Europäischen Kommission zur Stärkung des Binnenmarkts, sieht jedoch in bestimmten Bereichen Verbesserungsbedarf. „Der Binnenmarkt ist das grundlegende Element der Europäischen Union und gewährleistet die ökonomische sowie politische Souveränität im globalen Wettbewerb“, erklärt Johannes Kröhnert, Leiter des Brüsseler Büros des TÜV-Verbandes. „Einheitliche und verlässliche Markt- und Wettbewerbsregeln stärken die Unternehmen in der EU. Ein reibungsloser Binnenmarkt fungiert als optimales Entbürokratisierungsinstrument: Eine Regelung für alle ersetzt 27 nationale Vorschriften.“ Daher ist es von entscheidender Bedeutung, bestehende Hindernisse im Binnenmarkt weiter abzubauen, angefangen bei der uneinheitlichen Umsetzung harmonisierter Regelungen bis hin zu fragmentierten Dienstleistungsmärkten und der mangelnden gegenseitigen Anerkennung von Berufsqualifikationen. Aus Sicht des TÜV-Verbandes ist es essenziell, dass der Abbau von Bürokratie und die Vereinfachung von Vorschriften nicht auf Kosten des hohen Schutzniveaus in Europa erfolgen. Die EU-Binnenmarktgesetzgebung muss klar formuliert, einheitlich umgesetzt und konsequent kontrolliert werden. Kröhnert betont: „Gute Regulierung hemmt nicht das Wachstum – im Gegenteil: Sie schafft rechtliche und planungssichere Bedingungen und sorgt für gleichmäßige Wettbewerbschancen.“
Produktregulierung: Anpassungen zur Förderung von Nachhaltigkeit und Digitalisierung
Ein zentraler Bestandteil des Binnenmarktes ist der freie Warenverkehr, der durch einheitliche Produktanforderungen gefördert wird. Die Kommission plant, die europäischen Produktvorschriften an die Anforderungen der Digitalisierung und der Kreislaufwirtschaft anzupassen. Dabei spielt der Digitale Produktpass (DPP) eine wichtige Rolle, der zukünftig für nahezu alle Produktkategorien eingeführt werden soll. Dieser Pass wird Informationen über Herkunft, Materialien und Inhaltsstoffe eines Produkts sowie Details zur Reparierbarkeit, zu Ersatzteilen und zur umweltgerechten Entsorgung bereitstellen. „Der digitale Produktpass wird auch eine zentrale Informationsquelle für Verbraucher darstellen und die geltenden Sicherheits- und Umweltanforderungen eines Produkts sichtbar machen“, erklärt Kröhnert. „Sein volles Potenzial kann der digitale Produktpass jedoch nur entfalten, wenn die bereitgestellten Informationen vollständig und korrekt sind. Die Angaben im Produktpass sollten möglichst von unabhängigen Stellen validiert und verifiziert werden.“ Der Digitale Produktpass kann jedoch die unabhängige Prüfung von Produkten nicht ersetzen. Der TÜV-Verband hat in einem Positionspapier verschiedene Vorschläge zur Überarbeitung der Produktgesetzgebung gemacht.
Online-Handel: Unsichere Produkte überschwemmen die EU
Im Bereich des Online-Handels besteht erheblicher Handlungsbedarf. „Die EU wird mit Produkten überflutet, die nicht den geltenden Sicherheits- und Umweltstandards entsprechen“, warnt Kröhnert. Laut Schätzungen der EU-Kommission entsprechen in bestimmten Sektoren zwischen 50 und 100 Prozent der aus Drittstaaten importierten Produkte nicht den EU-Vorgaben. Daher plant die EU-Kommission, die Marktüberwachung auf europäischer Ebene besser zu koordinieren und Ressourcen zu bündeln. „Obwohl eine verbesserte Marktüberwachung in den einzelnen Mitgliedsstaaten erforderlich ist, wird sie das Problem angesichts der Masse importierter Produkte nicht lösen“, stellt Kröhnert fest. „Effizienter wäre es, auf unabhängige Drittprüfungen in den Ursprungsländern zurückzugreifen, sodass hauptsächlich konforme und sichere Produkte in den EU-Binnenmarkt gelangen.“ Anbieter, die sich einer unabhängigen Bewertung unterziehen, könnten sich als vertrauenswürdig erweisen und Vorteile bei Zoll- und Marktüberwachungsverfahren erhalten. Auch hierzu hat der TÜV-Verband Empfehlungen erarbeitet.
Stärkung der europäischen Qualitätsinfrastruktur
Aus der Perspektive des TÜV-Verbandes ist eine verstärkte Stärkung und Modernisierung der sogenannten Qualitätsinfrastruktur für den globalen Erfolg des europäischen Binnenmarktes unerlässlich. „Die europäische Wirtschaft wird weltweit für ihre Innovationskraft sowie die hohe Qualität und Sicherheit ihrer Produkte geschätzt“, sagt Kröhnert. „Das Regelwerk von Normung, Akkreditierung, Konformitätsbewertung und Marktüberwachung ist ein entscheidender Garant für Qualität Made in Europe.“ Diese international anerkannte Qualitätsinfrastruktur muss weiter digitalisiert und modernisiert werden. „Digitale Zertifikate, Normen und Standards können wesentlich zur Effizienzsteigerung des Systems beitragen“, unterstreicht Kröhnert. Die neue Binnenmarktstrategie muss dieses Thema daher noch intensiver ins Visier nehmen.
Zusätzlich ist eine stärkere Harmonisierung der Vorschriften für die Akkreditierung von Prüforganisationen notwendig. „Ein effizientes Kontrollsystem für Prüfstellen ist wichtig für das erforderliche Vertrauen in deren Unabhängigkeit und Expertise“, erklärt Kröhnert. Eine einheitliche Auslegung und Anwendung der Akkreditierungsvorgaben ohne nationale Alleingänge ist entscheidend. Der TÜV-Verband schlägt vor, den Aufbau einer europäischen Akkreditierungsbehörde zu prüfen.